Diese Seite zur Autopoiese (bzw. Autopoiesis) und damit zu den Ideen und Arbeiten von Humberto Maturana (die mir seit über 20 Jahren so sehr ‚am Herzen liegen‘) … ‚wächst‘ und ‚entwickelt‘ sich gerade … ist weiter unten noch eine ‚bozo-bunte Sammlung‚ … und sie bleibt ‚ein Prozess‘ ;-)
AUTOPOIESE

Die Autopoiese oder der autopoietische Prozess beschreibt, wie ein lebendes System lebt, wie es sich selbst erschafft, erhält und reproduziert. Der Begriff wurde von dem Biologen Humberto Maturana geprägt. Er beschreibt damit, wie biologische Zellen und Organismen (lebende Systeme) ihre eigene Struktur und Identität durch einen kontinuierlichen, sich selbst ‚machenden‘ Prozess bewahren.
- selbsterhaltend: Autopoietische Systeme erzeugen sich fortwährend selbst aus ihren eigenen Elementen, aus ihrer Struktur, heraus und erhalten so ihren autopoietische Prozess aufrecht (am Laufen).
- strukturdeterminiert: Autopoietische Systeme sind strukturdeterminierte Systeme. Das heißt, sie werden von ihrer Umwelt lediglich beeinflusst (angestoßen/gestört/perturbiert). Die Art und Weise, wie sie diesen Einfluss ‚in sich‘ verarbeiten und wie sie dann ‚reagieren‘, hängt vollständig von ihrer eigenen Struktur ab.
- operationell geschlossen: Autopoietische Systeme operieren innerhalb ihrer Systemgrenzen in ständiger Resonanz und Austausch mit ihrer Umwelt. Oder anders: Ihre Operationen (Prozesse/Wechselwirkungen) zur Aufrechterhaltung ihrer Autopoiese ‚machen‘ sie autopoietisch innerhalb ihrer eigenen Grenzen. In diese Operationen kann von außen nicht direkt steuernd eingegriffen werden.
Im Alltag bedeutet das:
- erleben: Wenn ein Mensch einen äußeren Reiz erhält, wird dieser durch die vorhandenen neuronalen Strukturen des Nerven-Systems verarbeitet. Oder anders: Das Nerven-System bringt, in Resonanz mit den ‚äußeren Reizen‘, aus den ‚gespeicherten Erfahrungen‘ (neuronalen Strukturen) ein Erleben hervor.
- wahrgeben: Menschen konstruieren ihr Erleben also jeden Moment neu aus ihrer eigenen Struktur heraus. Es ist also eine sich ständig verändernde ‚Konstruktion‘ und nie ein ‚Abbild‘ (ein abgenommenes Bild) der umgebenden Umwelt. Deshalb ist Wahrgebung auch ‚treffender‘ für dieses Phänomen, als Wahrnehmung.
- andersverstehen: Das bedeutet auch, dass Menschen dieselbe Situation (dieselben Reiz-Muster) natürlicherweise ganz unterschiedlich erleben, da ihre internen Strukturen (neuronalen Vernetzungsmuster) zwar Ähnlichkeiten aufweisen, letztlich aber ‚absolut einzigartig‘. Somit ist Missverstehen/Andersverstehen natürlicherweise die ‚Regel‘ und nicht die Ausnahme.
- verändern: Damit können ‚Verhaltensänderung ‚ nie nicht durch eine direkte, lineare Anweisung oder einen Anreiz von außen erreicht (oder gar erzwungen) werden. Stattdessen muss der ‚Anreiz‘ (die Bitte/Information/Störung) so gestaltet sein, dass das System, ausgehend von der eigenen Struktur, dazu anregt wird, das eigene Verhalten zu verändern.
Einige Sätze von Humberto Maturana dazu
„Alles, was gesagt wird, wird von jemand gesagt.“
„Verhalten, das dazu führt, dass sich jemand als berechtigte:r andere:r erlebt, das nenne ich Lieben.“
„Liebe ist das einzige Gefühl, das uns intelligenter handeln lässt.“
„Das Nervensystem nimmt keine Informationen aus der Umwelt auf. Im Gegenteil. Es bringt die Welt hervor, in der wir leben, indem es bestimmt/spezifiziert/vorgibt, welche Impuls-Muster der Umwelt, als ‚Störungen‘, zu welchen ‚Veränderungen‘ im Organismus führen.
Die beliebte Metapher, das Gehirn als einen ‚informationsverarbeitenden Rechner‘ zu betrachten, ist nicht nur zweideutig, sondern schlichtweg falsch.“
Etwas Hintergrund
Den Begriff Autopoiesis hat Humberto Maturana geprägt, … als Verbindung von dem altgriechischen AUTOS (aus sich selbst heraus, autonom) und POIEIN (erschaffen, kreieren, produzieren … im Sinne von: etwas neu hervorbringen, das vorher nicht da war).
Bald nachdem er den Begriff 1971 erstmals veröffentlicht hatte, haben andere ‚Systemiker‘ das Wort aufgegriffen und damit auch ‚unbelebte rekursive Prozesse‘ benannt, beschrieben bzw. bezeichnet. Und als sie trotz persönlicher Bitte von ihm damit nicht aufhörten, ist er dazu übergegangen, zu betonen, dass er sich mit AUTOPOIESIS ausschließlich auf eine ‚molekulare Autopoiese‚ bezieht.
Meine ’saloppe Übersetzung‘ seiner Idee zu diesem Wort lautet:
Leben erschafft sich selbst
Aus den zunächst konsequent wissenschaftlich formulierten Ideen und Beschreibungen, wie „Leben sich jeden Moment selbst neu erschafft bzw. hervorbringt“ (z.B. zus. mit Francisco Varela in Der Baum der Erkenntnis – Leseprobe) hat Humberto Maturana um die ‚Jahrtausendwende‘ zusammen mit Gerda Verden-Zöller und Ximena Davila die „La Biología del conocer y del amar“ entwickelt, formuliert und als ‚Praxis einer Kultur-Biologie‘ gelebt. Im englischen Sprachraum wird sie „Biology of knowing and loving“ genannt und ich nenne sie im Moment „Biologie des erlebens und bejahens„. ‚erleben‘ und ‚bejahen‘ schreibe ich dabei absichtlich klein, weil ich die ‚Prozesshaftigkeit‘ allen Lebens, und damit auch unseres Tuns und Erlebens, ‚in die Aufmerksamkeit‘ holen will, … eine ‚Prozesshaftigkeit‘ die von Englisch- und Spanisch-Sprechenden ‚aus der Sprache heraus‘ mit erlebt/gedacht/gespürt wird.
Das aus meiner Sicht beste, da am leichtesten lesbare und verständliche Buch zu Maturana und zur Autpoiese ist „Vom Sein zum Tun – Die Ursprünge der Biologie des Erkennens“ (Leseprobe). Hier fasst Bernhard Pörksen seine Gespräche mit Humberto Maturana aus 2000 und 2001 ‚konkret, anschaulich und fabulierlustig‘ in Form eines Interviews zusammen.
aktuelle PDFs
Ethik einer biologischen Erkenntnistheorie – Humberto Maturana zu seiner ‚Grund-Idee‘: „Empathie, Respekt und Vertrauen sind biologische Grundbedürfnisse“, 1982 in einer Einleitung zu einer Auswahl seiner Arbeiten
Ethik einer Theorie – Biologie der Liebe – Bernhard Pörksen im Gespräch mit Humberto Maturana … aus dem oben erwähnten: „Vom Sein zum Tun“
AutopoiEthik — impathisch und verbunden leben – ein ‚Überblick in Bildern‘ von mir, … wie wir diese Ideen in einem ‚liebevoll achtsamen Alltag‘ leben könnten
Sammlung zur Autopoiese …
- beschreibt als Erklärungsmodell, wie sich LEBEN als kreisförmig ablaufender Prozess von Moment zu Moment selbst neu ‚hervor bringt‘ und sich so fortdauern ‚aus sich selbst heraus‘ erhält, organisiert und entwickelt.
- oder Autopoiesis wurde von Humberto Maturana und Francisco Varela als Wort/Begriff/Benennung für diesen Prozess/dieses Phänomen Anfang der 1970er Jahre geprägt und in die Welt gebracht.
- lässt manche an ‚im Auto geschriebene Poesie‘ denken oder auch an ‚Poesie über Autos‘
- beschreibt auch, dass gerade die letzte Aussage einen ’natürlicherweise passierenden kreativen Vorgang‘ beschreibt.
- ist eine Sammlung von Erklärungen, die die von Rutger Bregmann in seinem Buch „Im Grunde gut“ zusammengetragenen Beobachtungen einschließlich der Schlüsse, die er daraus zieht (10 Min Audio auf DLF-Kultur), als grundlegend stimmig beschreibt.
- ist eine der beiden ‚Ideen-Sammlungen‘ auf die sich Werner Vogd in seinem Buch „Welten ohne Grund“ bezieht, wenn er vom neurobiologischen Konstruktivismus spricht … die andere ist die Sammlung der ‚Grund-Ideen des (historischen) erfahrungsorentierten Buddhismus‘.
- ist für mich die ‚Grundlage‘ für das, was ich radikale Subjektivität nenne, … die für mich ’nachvollziehbar‘ macht, wie es zu Phänomenen gemeinschaftlicher Fruchtbarkeit kommt … und aus der ich ableite, dass ‚Gewaltlosigkeit‚ der natürliche menschliche ‚Seins-Zustand‘ ist.
… more to come
… und auch die Seite zur Autopoietik, die ich vor gut einem Jahr aufgesetzt habe, enthält einige zusätzliche Informationen.
Externe Links
Autopoiese in der systemischen Arbeit
Autopoiesis im Lexikon des systemischen Arbeitens – Carl-Auer Verlag
aktualisiert am: 26.07.2024